Es ist faszinierend, wie ich stetig am Klavier scheitere. Nun habe ich mich zwar im fortgeschrittenen Alter ohne Vorbildung erst ans Klavier begeben, aber ich erwarte schon von mir, dass ich nach einigen Wochen Übungszeit an ein und dem selben Stück einmal Fortschritte sehe. Nun ist es aber so, dass ich immer wieder an den gleichen Stellen hänge. Manche Noten wollen einfach weder in den Kopf, noch in die Hände. Das ist wie Vokabeln-Lernen. Einige wollen dir einfach nie einfallen, auch wenn du es schon dreißig mal wiederholt hast. So auch an meiner dicken Emma, dem alten Flügel. Immer wieder verhaspeln sich die Finger an der gleichen Stelle. Bei manchen Klängen scheinen sie dahin zu schweben und tanzen wie von selbst von der einen in die andere Position. Bei anderen verhaken sich die Finger und die Abstimmung, die Kommunikation mit den Auggen stimmt nicht. Haken die Finger, fangen die Augen an zu suchen. Wie hieß der Ton noch gleich? G, oder war es doch f, und schon muss ich wieder zugeben: Ich kann es doch noch nicht, Noten lesen. Manche schon, klar C, A F, die hab ich raus. Auch die obere Seite mit dem schön geschwungenen Violinen-Schlüssel, die kenne ich noch aus dem Alter, als ich Blockflöte lernen sollte, und später aus den Schulchorerfahrungen. Aber es gibt so welche, die entziehen sich immer wieder meinem Zugriff. Besonders die mit dem Bassschlüssel. Als würden sie gehässig über das Notenblatt schleichen und sich heimlich in eine andere Position begeben. Vielleicht heißt der auch deswegen F***-Schlüssel? Naja, wollen wir mal den richtigen Ton behalten. Meine Tochter zählt auch noch mit den Fingern nach beim Üben: „cdefgahc“. Auch sie häng rückwärts immer bei a schon fest. Nachzählen, das geht dann ja auch bei mir mit Hilfe des F-Schlüssels, aber ich bin doch schon groß! Ich müsste das doch schon können! Aber ich scheiter‘ heiter weiter.
Auf jeden Fall muss ich sagen, dass das Klavier ein wunderbares Flow-Instrument ist. Ich hab nur eben mal nochmal probiert, ob sich die Finger wieder verhaspeln, oder ich doch nun endlich mal ein flüssig gespeiltes Stück hinkriege. Schwupp, schon eine Stunde um. Die Stellen, an denen es funktioniert, schweben musikalisch von den Augen in die Hände zu den Tasten in die Saiten durch den Körper in die Luft. Das ist ein so bauchiges Glücksgefühl, wenn sich die beiden Stimmen zu einer Klangwelt zusammenschließen. Manchmal gehen die Finger dann einfach mit.
Ich frage mich, ob ich irgendwann mal auf das Blatt gucke und es leichter habe, dass die Melodien entstehen, oder ich so einfach mal drauf los spielen kann…. ob ich so lange durchhalten werde?